Loud Ladies: Zwei Tontechnikerinnen – zehn Fragen

mothergrid hatte die Chance, mit zwei Tontechnikerinnen zu sprechen und sie zu befragen, wie sie ihre Position innerhalb der Brache beurteilen.

Interview: Henning Sommer

Zumindest in meinem Kosmos sind Frauen in der Veranstaltungstechnik (leider) noch selten anzutreffen. Um so erfreuter war ich mit zwei Kolleginnen sprechen zu können, die doch durchaus erfolgreich in der Branche sind. Lisa Affenzeller (u. a. bei United Brands) und Lea Becker von Rock’n’Rent haben mir in diesem Kurzinterview ein paar knackige Antworten auf meine Fragen gegeben.

Erst einmal eine kurze Vorstellung – wer seid ihr und was macht ihr als Technikerin?

Lisa Affenzeller: Mein Name ist Lisa Affenzeller und ich bin seit etwa 15 Jahren Tontechnikerin, die meisten davon international auf Tour und hauptsächlich am FOH.

Lea Becker: Ich heiße Lea Becker aka „Tontante Lea“ und bin seit fünf Jahren in der Branche. Die meiste Zeit davon arbeite ich für verschiedene Bands und übernehme hierbei oft die Monitorposition.

Wie sah euer Weg hinters Mischpult aus – Gradlinig oder mit Umwegen?

Lisa Affenzeller
Lisa Affenzeller

Lisa Affenzeller: Nach meinem Tontechnik-Studium an der SAE Wien wollte ich in die Live Branche einsteigen. Über Umwege kam ich dann nach Hamburg, wo ich den Großteil meiner Arbeit in verschiedenen kleineren und größeren Musik-Clubs auf St.Pauli gelernt habe.

Irgendwann kam ich dann durch Zufall auf meine erste Tour und habe mir On-The-Road den Rest erarbeitet.

Lea Becker: Ich bin durch ein Praktikum in den Genuss der Tontechnik bzw. Touringwelt gekommen. Daraufhin habe ich eine Ausbildung zur „Fachkraft für Veranstaltungstechnik“ absolviert, da mir die Nähe zur Praxis wichtig war. Dadurch habe ich viel Tourerfahrung sammeln können.

Was fasziniert euch am Beruf der Tontechnikerin am meisten?

Lisa Affenzeller: Als Kind wollte ich immer Dirigentin werden. Als Teenager wollte ich unbedingt Technikerin werden. Musik und Technik war also immer schon die größte Faszination.

Lea Becker: Ich bin schon immer interessiert an Musik gewesen. Durch meine ersten Konzerterfahrungen hinter den Kulissen während meines Praktikums sah ich, wie viel Aufwand ein einziges Konzert sein kann. Mein Lieblingspart bis heute ist es, wenn die Leute auf den Platz oder in den Saal stürmen und man genau weiß, dass durch unseren Teamgeist und unsere Leidenschaft die Leute einen schönen Abend haben können.

Worin seht ihr den größten Nachteil am Beruf der Tontechnikerin?

Lisa Affenzeller: Die fast unmögliche Vereinbarkeit von Beruf und Familie – vor allem als Frau.

Lea Becker: Der größte Nachteil meiner Meinung nach ist, dass man kaum Zeit für private Verabredungen und Familie hat. Ein sehr schmaler Grat zwischen Beruf und Privatleben.

Hattet ihr den Eindruck, euch stärker beweisen zu müssen als die männlichen Kollegen?

Frauen
Lea Becker von Rock’n’Rent.

Lisa Affenzeller: Ja, aber das machte mich am Ende zu einer guten Technikerin.

Lea Becker: Gerade am Anfang habe ich das Gefühl gehabt, mehr arbeiten und besser sein zu müssen als andere männliche Techniker. Auch gerade wegen der körperlichen Unterschiede. Das habe ich aber schnell überwunden.

Warum glaubt ihr, dass sich verhältnismäßig wenige Frauen für den Beruf der Tontechnikerin entscheiden – oder täuscht mich mein Eindruck?

Lisa Affenzeller: Ich glaube, der Anteil der Frauen in der Tontechnik und der Anteil der Frauen in der KFZ-Technik ist in etwa gleich hoch. Diese Frage könnte man also auch für vielen andere (Technik-)Branchen stellen. Der Frauenanteil in unserer Branche wächst aber glücklicherweise stetig. Das heißt, ein gewisses Umdenken findet bereits spürbar statt.

Lea Becker: In handwerklichen Berufen sind grundsätzlich weniger Frauen vertreten. Aber so wie ich das mitbekomme, kommen immer mehr weibliche Kolleginnen auch zu uns in die Branche.

„If you can see it, you can be it“

Was müsste sich in der Branche ändern, damit der (nicht nur weibliche) Nachwuchs sich wohl fühlt?

Lisa Affenzeller: Diversität innerhalb einer Crew führt meist immer zu einem ausgewogeneren Klima! Sichtbarkeit ist dabei ein großes Thema. „If you can see it, you can be it“ und das trifft sowohl auf den weiblichen, männlichen und diversen Nachwuchs zu.

Lea Becker: Ich glaube, man muss weg davon zu sagen, dass der Tontechniker ein klassischer Beruf ist. Ich sehe das eher als Berufung. Das sollte der Nachwuchs im Hinterkopf behalten.

Zurück zur Technik. Wie sieht euer präferierter Arbeitsplatz aus?

Lisa Affenzeller: Ich setze am FOH meist immer auf eine DiGiCo mit Waves-Implementierung und eine gewisse persönliche Mikrofonauswahl, die sich über die Jahre hinweg rauskristallisiert hat und mit der ich gerne arbeite. Ich versuche aber auch, wo immer möglich, Neues auszuprobieren und mich stetig weiterzubilden.

Lea Becker: Mein präferierter Arbeitsplatz ist Stage Left. Professionelle Technik, die in gutem Zustand ist. Um meine Vorbereitungen zu treffen genügend Zeit haben, um alles technisch prüfen zu können. Hierbei habe ich eine gewisse Auswahl an Mischpulten. Und auch was meine Mikrofonauswahl betrifft: Ich habe bevorzuge Mikrofonsets, da ich bei diesen den Klang und die Haptik kenne und ich daraufhin reagieren kann.

Was steht für das Jahr 2023 beruflich alles an bei euch?

Lisa Affenzeller: Im Team von United Brands darf ich mich um das Produktmanagement für DiGiCo Deutschland kümmern, und der Festival-Sommer steht vor der Türe. Auch da werde ich noch hier und da am Mischpult zu finden sein.

Lea Becker: Das Jahr 2023 wird ein volles Jahr. Ich bin als Monitortechnikerin bei der „Apache207“-Tour und den Festivals mit dabei. Im Oktober wird es eine Tour mit „Hoodblaq“ geben, wo ich auch als Monitortechnikerin eingesetzt bin. Unter anderem betreue ich auf Wacken die Harder Stage als lokaler Monitor. Außerdem bin ich beim Alpenflair-Festival als Bühnentechnikerin unterwegs. Im Mai habe ich mit einer Band namens „Respect – A tribute to Aretha Franklin“ ein Konzert in Paris im L´Olympia. Im Oktober steht dann eine kleine Frankreich-Tour an.

Abschließende Tipps für Menschen, die in die Welt der Tontechnik professionell einsteigen wollen?

Lisa Affenzeller: Machen, am Ball bleiben, weiter machen und zwischendurch nicht aufgeben. Sie werden dich dafür lieben.

Lea Becker: Um in den Beruf der Tontechnik professionell einsteigen zu können, sollte man am besten erstmal praktische Vorerfahrungen sammeln. Auch für das persönliche Abschätzen, ob der Beruf für jemanden was ist. Und da rede ich nicht davon mal am Wochenende mitzufahren und die Hoffnung zu haben dann neben einen großen Künstler stehen zu können.

Unser Beruf ist viel mehr als das. Er kann anstrengend und lange sein. Auf der anderen Seite haben wir aber auch das großartige Teamverhalten. Gerade auf Tour hat man eine zweite, kleine Familie. Und wie wir alle wissen, läuft auch da nicht immer alles rund. Die Lust am Reisen und an verschiedenen Kulturen ist auch ein großer Vorteil. Ich denke aber: Das, was uns alle letztendlich irgendwie verbindet, ist die Leidenschaft zur Musik – egal in welcher Form.

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