Schon in Part 1 berichtete uns Lewe Redlin über die Tour mit Superstar Sarah Brightman – volles Programm mit Band, Chor, Orchester und immersive Setup. Wie seine Arbeit als Monitor-Engineer aussah und was er erlebt hat, beschreibt er in seinem Tour-Tagebuch, das mothergrid exklusiv präsentiert:
Los gehts: Mit Bänderriss nach Japan
Nach vier Wochen Tourpause, die ich mir mit einem Bänderriss am dritten Tag vertrieben habe, gehts am 21. November wieder los: Tokyo! Ich liebe diese Stadt, kein Tourstopp lässt meine Augen so leuchten. Der Bänderriss ist zum Glück soweit genesen, dass ich problemfrei gehen kann, und so treffe ich meine Kollegen Felix und Hermann in der Business Lounge in Frankfurt.
Der Flug geht ein gutes Stück länger als sonst, und als ich mir den Verlauf auf dem Bildschirm anschaue, erkenne ich auch, warum. Wir umfliegen nicht nur die Ukraine, sondern auch ganz Russland, was zu einem beträchtlichen Umweg führt. Allerdings gibt es angesichts des Krieges sicherlich niemanden an Bord, der das nicht begrüßen würde.
In Tokyo angekommen, durchlaufen wir diverse Prozederes der Einreise, seit Corona muss man Impfstatus etc. nachweisen. Zum Glück kann man das alles bereits zu Hause online erledigen, so dass wir drei direkt zur Passkontrolle durchlaufen können: ein Blick auf den Status in der App reicht.
Nachdem wir unsere Koffer eingesammelt haben, werden wir abgeholt und in unser Hotel gebracht. Ab jetzt gilt es, sich möglichst bis zum Abend zu beschäftigen. So sehr ich Japan liebe, so schwierig ist der Jet Lag in diese Richtung.
Jedes Mal wenn ich dort bin, kann ich nächtelang nicht schlafen, dementsprechend müde bin ich dann tagsüber. Dass ich am darauffolgenden Tag auch noch frei habe, hilft natürlich nicht dabei, Struktur in den Tag zu kriegen. Aber wir nutzen die Zeit für Weihnachtseinkäufe und um durch diese Stadt zu stromern.
Einige aus unserer Crew waren noch nie hier, und es gibt unendlich viel zu entdecken. Unter anderem ziehe ich mit Tyler, unserem Drum- und Guitartech, durch Shinjuku und amüsiere mich über die Klamotten, die er so anzieht.
Es stehen drei Shows in Tokyo an: zwei im International Forum, einer Art großem Kongresscentrum. Dann noch eine im Tokyo Garden Theatre, dessen Name etwas irreführend ist. 7.000 Plätze fasst das Theater, und es wirkt in seinem monochromen Look, als wäre es direkt aus einem Star-Wars-Film gekommen.
KLANG-System kommt gut an
Die Shows in Tokio nutze ich auch noch mal, um mit unserem Musical Director über das von mir auf dieser Produktion neu eingeführte Klang-System zu sprechen, und er ist so begeistert, wie ich das erhofft hatte. Gerade bei dieser großen Menge Inputs (leider hatte ich “nur” die DMI-Karte und daher auch nur 64 von ca 98 Inputs immersive an der DiGiCo-Konsole anliegen) hilft es wahnsinnig, die Signale in so vielen Schichten und Abstufungen in den Mix bringen zu können. Davon abgesehen, ermüden die Ohren viel später, man macht automatisch leiser und es fühlt sich einfach deutlich natürlicher an.
Die nächste Show findet in Nagoya statt, und wie es üblich in Japan ist, reisen wir mit dem Shinkansen, dem “Bullet train”. Da Züge in Japan pünktlich, schnell und komfortabel sind, ist das selbst bei einer Back-to-Back Show kein Problem. Neben Tokyo und Nagoya spielen wir noch eine Show in Osaka, danach geht es weiter nach Südkorea. Ich bin immer etwas melancholisch, wenn ich Japan verlasse, weil das arbeiten mit japanischen Crews immer von einem ungeheuren Respekt und einer fantastischen Professionalität geprägt ist. Andererseits geht es von nun an in Länder, in denen ich bisher noch nie war und natürlich freue ich mich darauf ganz enorm!
Südkorea, Singapur, Phillipinen
Am 2.12. geht es nach Seoul. Leider bremst mich mein Bänderriss immer noch etwas aus, ich kann zwar dank Orthese gut gehen, allerdings machen mir längere Strecken dann doch Probleme.
Das führt dazu, dass ich mich nach unserer Ankunft im Hotel mit meinem geschätzten Kollegen Ozzie zu einem Dinner im Hotel verabrede, anstatt mit den anderen noch einen Ausflug zu machen.
Allerdings können wir das vegane Restaurant, das auf dem Zimmer beworben wird nicht finden und wir entschließen beide, etwas Kraft zu tanken und einfach Zimmerservice zu bestellen.
Memo an mich selbst: beim nächsten Besuch in Seoul muss mehr gesehen werden. Das Venue in Seoul ist eine kleine Basketball-Arena und stellt uns alle vor einige Herausforderungen.
Kleine Location, gutes Team
Zum Glück haben wir mit Charles Boxhall einen hervorragenden, mit allen Wassern gewaschenen Produktionsleiter und mit Felix Leuschner einen jungen und dynamischen Stagemanager im Team. Die beiden ergänzen sich hervorragend und sorgen so dafür, dass jeder Stein schon im Vorfeld aus dem Weg geräumt wird. Im Nachhinein bin ich beeindruckt, wie die beiden es schaffen, diese Produktion mit Chor und Orchester, Band, einem Set und einem Quickchange auf diese Bühne zu bringen.
Eine Sache können aber auch sie nicht beheben: die Halle ist bei unserer Ankunft eiskalt. Im Gegensatz zu Japan sind hier ca -2° Celsius, und die Halle wird erst langsam warm.
Ich bin tatsächlich auf solche Temperaturen nicht vernünftig vorbereitet, als ich in Hamburg meinen Koffer packte, waren in Seoul noch milde 15° und da wir danach nur noch in tropischen Gefilden unterwegs sein werden, habe ich nur eine Bomberjacke dabei.
Über den Tag wird es dann allerdings deutlich wärmer, um dann zum Load Out durch die offenen Tore wieder rapide abzukühlen – die geneigte Leserschaft denkt sich vielleicht schon, wie das für mich ausgeht…
Die Lüftung war schuld
Am darauf folgenden Tag geht es weiter nach Singapur. Und weil ich natürlich aus Fehlern nicht lerne, merke ich erst kurz vor der Landung, wie kalt die Klimaanlage im Flieger auf mich pustet.
Spätestens bei der Ankunft wird mir klar: ich werde krank. Was früher schon nervig auf Tourneen war, ist dank Covid inzwischen, wie der Engländer sagt, „pain in the ass“. Ich beschließe, auch heute wieder auf dem Zimmer zu bleiben, vitaminreiches Essen zu bestellen, einen Covid-Test zu machen und viel zu schlafen.
Am nächsten Morgen geht es schon wieder etwas besser, allerdings kommt noch Husten dazu. Trotz negativer Corona-Tests halte ich mich so gut es geht fern von allen (mein FoH-Kollege Hermann muss allerdings erfahren, wie dünnhäutig ich heute bin), trage durchgängig Maske und esse für mich allein und nicht im Catering. Zu groß ist dann doch die Sorge, ich könnte für Unruhe mit dem Husten sorgen.
Li.Lac sorgt für gutes Gefühl
Ein gutes Gefühl, gerade an solchen Tagen, bietet mir dafür der LiLac, den mir Tobi Hoff freundlicherweise für diese Tour bereitgestellt hat . So weiß ich zumindest, dass ich die Mikrofone nach dem Testen wieder erregerfrei an die Künstler übergeben kann.
Aber auch diese Show ist schließlich geschafft und ich bin guter Dinge, denn ich weiß: ich habe nun erst einmal ein paar Tage frei. Die Show in Manila fällt aus, wir fliegen dort also nur für einen freien Tag hin, da die Flüge und Hotels ohnehin schon gebucht waren. Ein wenig fürchte ich mich vor den in Asien häufig vorkommenden Fieber-Checks an Flughäfen, aber tatsächlich habe ich nicht mal erhöhte Temperatur und auch die Tests bleiben negativ (Spoiler: sie werden auf der Tour auch nicht mehr positiv). Ich nutze also den Travelday und den Day Off hauptsächlich zur Erholung.
Von Manila sehe ich deshalb nur wenig. Allerdings muss ich auch sagen: ich habe kein besonders sicheres Gefühl in dieser Stadt, und das geht mir ehrlicherweise fast nie so. Dementsprechend fällt es mir leicht, einfach zu schlafen, so viel es geht. In den 20 Jahren, die ich nun auf Tour bin, habe ich für mich tatsächlich gelernt, dass Schlaf das Wundermittel ist, um möglichst schnell eine Erkältung los zu werden, und es wirkt auch dieses mal: als wir weiter nach Taiwan reisen, geht es mir wieder hervorragend!
Müßiggang in Taiwan
In Taiwan erwarten uns erst mal drei freie Tage und ein Travelday. Ursprünglich hätte es mal noch eine Show in Bangkok geben sollen, die aber zumindest zu diesem Zeitpunkt nicht stattfindet. Da die Bezahlung, wie in den meisten Ländern außerhalb Deutschlands üblich, nach Wochen geht und keinerlei Unterscheidung zwischen Showtagen, Days-Off etc kennt, ist das zum Glück nichts, was auf dem Rücken der Crew ausgebadet wird. Die drei freien Tage verbringen wir in Taipeh, und diese Stadt hat eine Menge zu bieten!
Mein Kollege Ozzie und ich stromern stundenlang durch unterirdische Einkaufszentren voller taiwanesischer Produkte, ich kaufe mir zum Beispiel noch einen kleinen Koffer, um alles, was mir an Technik gehört, wieder mit nach Hause zu nehmen.
Das obligatorische Pelicase hatte ich dieses mal zu Hause gelassen. Wir gehen über die Tage mehrfach in ein veganes Restaurant, schauen uns die Stadt an und gehen Wäsche waschen, was man halt so an freien Tagen macht.
Schließlich kriegt uns dann die Tourrealität doch wieder und wir fahren nach Kaohsiung zu unserer ersten Show. Die Reise zwischen den Städten erfolgt auch hier per Zug, der zwar genau so schnell und pünktlich, aber leider nicht ansatzweise so bequem wie der Bullet Train ist.
Erdbeben-Premiere
In Kaohsiung erwartet das Audio-Team ein relativ entspannter Tag, da wir einen kompletten Aufbau- und Einrichtetag haben. Für die Licht- und Setabteilung ist das allerdings Gold wert, da fast alles aus diesem Bereich örtlich kommt, uns auf allen vier Shows begleitet und so alles einmal vernünftig eingerichtet werden kann. Team Audio ist schnell eingerichtet, und so geht es zügig wieder ins Hotel.
Der Get-In am darauf folgenden Tag ist dementsprechend später und so haben wir die zweifelhafte Ehre, ein Erdbeben (mein erstes) im Hotel zu erleben. Ich muss ganz ehrlich sagen: ich hätte gut darauf verzichten können.
Die Einwohner der Stadt haben das nur mit nem Schulterzucken abgetan, und da wir ca 100 Kilometer vom Epizentrum entfernt waren, gab es zum Glück auch keine Schäden (auch direkt am Epizentrum übrigens nicht, trotz Stärke 6,2. In Taiwan weiß man auf jeden Fall wie man Erdbebensicher baut).
Was folgt, sind 2 Arena-Shows, ein Theater und eine Open-Air-Show (was Mitte Dezember ein großes Vergnügen war) und ein langer Weg heim: erst eine mehrstündige Fahrt direkt nach der Show mit dem Bus von Pingtung, dem Ort der letzten Show, nach Taipei zum Flughafen, dann ein Flug nach Seoul, mehrere Stunden Wartezeit (zum Glück in der Business-Lounge) in Seoul, dann ein Flug nach München, von da dann nach Hamburg. Jeglichen Rant über Verspätungen sobald deutsche Flugzeuge zum Einsatz kamen, erspare ich mir und den geneigten LeserInnen.
Lewe Redlin
Monitor Engineer aus Hamburg, geboren 1978.
Seit 2001 in der Branche, Ausbildung zur Fachkraft für Veranstaltung.
Seitdem hauptsächlich im Touring tätig, unter anderem für Bushido, Jan Josef Liefers, Trailerpark, Sarah Brightman, Gregorian.