Nook Schoenfelds Stories (3): Opa Roadie Dude

Nook Schoenfeld ist Lichtdesigner und Geschichtenerzähler mit Erfahrung. Nach über drei Jahrzenten in der Branche hat er so einiges zu erzählen – unter anderem auch, warum man nach drei Jahrzenten in der Branche langsam über einen Perspektivwechsel nachdenken sollte. Denn wer will schon Roadie-Opa/Oma werden…

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Es besteht kein Zweifel daran, dass das Touren eine Beschäftigung für junge Leute ist. Wenn wir älter werden, merken wir, dass wir einen anderen Gang einlegen müssen. Entweder werden wir Crew-Chefs, die eher das „Zeigen auf“ als das „Heben von“ Gegenständen praktizieren, oder wir werden Designer, Produktionsmanager oder vielleicht Schreibtischtäter für einen Vertrieb. Alles ist besser, als am Ende des Tages zu einem Roadie-Opa zu werden.

Manchmal treffe ich auf Kollegen, mit denen ich vor 30 Jahren auf Tournee war und die immer noch fit wie Turnschuhe sind und den Strapazen der Straße trotzen können. Legenden wie Hodgie, Felton und Poepping können zwar immer noch die jüngeren Crew-Mitglieder Staub schlucken lassen, aber sie sind halt auch keine übergewichtigen, arthritischen Kerle – was eher dem amerikanischen Bild des Alterns entspricht. Leider sehe ich für jeden, der noch gut unterwegs ist, mehrere andere, die ihre Rock’n’Roll-Schuhe schon längst hätten an den Nagel hängen sollen.

Es gibt einen Grund, warum ältere Lichtdesigner sich mit alten Bands zusammentun, die ständig auf Tour sind. Sie fühlen sich bei diesen Bands nicht wie ein Opa, sondern wie ein weiterer erfahrener Profi. Fast jede tourende Legende hat ein FOH-Team, das schon eine Weile dabei ist. Das ist für alle gut, denn die alten Hasen müssen sich an einen erfolgreichen Künstler binden. Und umgekehrt sind die talentierten LDs wie Libby, Ledesma, Owens, Gott ein großes Plus – sie sind alle mit DER EINEN BAND beschäftigt , die immer noch 100 Shows pro Jahr bucht. Sie müssen sich nie um Auftritte bemühen, keine jungen Künstler treffen und auch nicht zum Roadie-Opa werden.

Eine Warnung von Opa Monitor Dude

Vor etwa 30 Jahren habe ich mit einem älteren Mann gearbeitet, der nicht so viel Glück hatte. Das war das erste Mal, dass ich wirklich verstand wie es sein muss, ein Roadie-Opa zu sein.

Ich war selbst noch jung genug und musste auf einer Megadeth-Tour in Südamerika IntellaBeams bedienen. Die lauteste Band, mit der ich je gestraft wurde. Sie zogen ein interessantes Publikum in diese Hallen-Arena in Chile, in der wir die erste Show der Tour spielen sollten. Seit wir die Türen geöffnet hatten, sah ich dem Monitortechniker dabei zu, wie er sein System auf die zum Bersten gefüllte Halle einzustellen versuchte.

Das gesamte Publikum war schwarz gekleidet. Weiße Männer mit langen schwarzen Haaren. Keine einzige Frau in der Menge. Der Monitortechniker lief zwischen der Mikrofonlinie – „Check 1, Check 2“ – und seiner Konsole hin und her, um die Pegel einzustellen. Er war ein alter ShowCo-Techniker mit buschigen silbernen Haaren, Cowboystiefeln und dem Wunsch, irgendwo anders zu sein, als bei diesem Gig. Er war Opa Monitor Dude und bald hatte er genug von der tobenden Menge, die zusätzlich auch noch Gegenstände in seine Richtung warf, während er versuchte, die Pegel einzustellen. Schließlich zeigte er ihnen allen den Finger, was die Situation natürlich nur noch verschlimmerte. Opa Monitor Dude wurde zur Zielscheibe eines Spuckwettbewerbs und musste drei Setwechsel lang Schleim und Spucke ausweichen.

Musik wie diese habe ich bis dato noch nicht erlebt – und auch später gehörte rasender Thrash Metal nicht zu meinen Hauptspeisen. Ich erinnere mich, wie ich den LD fragte, was meine Moving Lights während eines Songs machen sollten, der mehr von einem Zugunglück als von einer Komposition hatte. „Lass sie einfach so aussehen, als wären sie kaputt. Lass die Spiegel wackeln, die Gobos knacken, vielleicht ein zufälliges Stroboskop einbauen. Wann immer ich und die Band aufhören – hört ihr auch auf.“

„Du wirst es nicht glauben. Das ist alles Menschenhaar!“

Das Pommesgabeln-schwingende und Kopfhaar-schüttelnde Publikum war komplett aus dem Häuschen und für jede der drei Bands gab es einen riesigen Moshpit auf dem Boden der Arena. Nach der Show klingelten meine Ohren so sehr, dass ich kaum verstehen konnte, was mein Kumpel am anderen Lichtpult zu mir sagte. Er zeigte immer wieder auf den Boden und formte mit seinen Lippen ein „Was ist das?“.

In der gesamten Arena war der Boden knöcheltief mit diesem schwarzen Zeug bedeckt. Es sah aus wie ein Lakritzmeer aus Zuckerwatte, das bis zu unserem Podest heranreichte. Ich beschloss, hinunterzugehen und nachzusehen, was dieser Mist war. Ich sprang auf den Boden und schnappte mir eine Handvoll – und begann sofort meine Hände davon freizuschütteln. Ich rief meinem Partner zu: „Du wirst es nicht glauben. Das ist alles Menschenhaar!“ Das Abfallprodukt männlicher Furore in einem Moshpit.

Als ich wieder auf die Bühne gehe, sehe ich unseren Roadie-Opa auf einer Milchkiste hinter seinem Monitorpult sitzen, den Kopf in den Händen. Ich erinnere mich, dass ich ihn fragte, wie sein Abend so gelaufen ist. Er warf den Kopf zurück und sagte: „Noch drei Wochen. Das ist wie ein Todesurteil. Ich bin zu alt für so was.“ Das war er zweifellos.

Notiz an mich selbst – einen besseren Rentenplan ausarbeiten.

Die kreative Rentenversicherung

Damals, in meinen 30ern, habe ich noch viele Verträge mit jungen Künstlern abgeschlossen. Für 10.000 Dollar würde ich etwas entwerfen, das in einem Club oder einem Theater, einem kleinem Festival oder bei einer Vorband großartig aussehen könnte. Zum Beispiel Lichterwagen, die Club- und Eröffnungsacts in Anhängern hinter ihrem Bus mitführen können. Kulissen, die sich zusammenklappen liessen und an denen man Lichter aufhängen kann. Ich machte wunderschöne Renderings, programmierte die Show in einer Previz-Suite vor und schickte einen jungen Lighting Director los, um die Show zu drücken – für eine Pauschalgebühr.

Das hat viele Jahre lang funktioniert, denn anfangs war ich nur ein 30-jähriger LD, der mit Musikern arbeitete, die nur ein paar Jahre jünger waren als ich. Aber als ich dann in meinen Vierzigern war, bemerkte ich seltsame Blicke, als ich Bands traf und sie merkten, dass ich ihr Vater sein könnte. Aber sie hatten meine Arbeit gesehen, und ich genoß immer noch einen gewissen Respekt bei den jungen Leuten.

Zurück zu den 10k Honorar. Das hat gut funktioniert, denn ein großer Teil meines Geschäfts kam durch Mundpropaganda zustande. Eine Band hat eine Hit-Single und muss ihre Tourneeproduktion aufpeppen. Sie fragen Freunde aus anderen Bands, wen sie schon mal angeheuert haben und es spricht sich herum, dass es diesen Typen gibt, den sie kennen und der dieses Geschäft macht.

Vor etwa zehn Jahren wurde ich von dem Manager einer lokalen Band aus Las Vegas angerufen. Ihr erstes Album war gerade erschienen und sie wollten deshalb ein wenig auf die Pauken schlagen. Sie hatten meinen Namen von ihren Freunden erhalten, die bei Rise Against spielten (die ich im Jahr zuvor beleuchtet hatte). Sie schickten mir ein paar Jpegs von einer anderen Band namens Grizzly Bear und erwähnten zusätzlich, dass sie einen Look wollten, bei dem Lampen von Bäumen hängen. Begleitend dazu gab es auch eine Jpeg von einer entsprechenden Serviettenskizze.

Aus Jux und Dollerei googelte ich diese Band und ihr Hit „Radioactive“ tauchte auf. Er erregte meine Aufmerksamkeit, also investierte ich ein paar Dollar und lud das Album herunter. Ich hörte etwa fünf Top-Ten-Hits auf diesem einen Download und schickte meinem Kumpel John Featherstone sofort den Link per E-Mail und sagte: „Hey Mann, willst du umsonst ein bisschen Zeit in eine junge Band investieren?“

Er meldete sich sofort bei mir und war vom Potenzial der Band ebenfalls überzeugt. Ich würde das Bühnenbild und die Beleuchtung entwerfen und die Ausrüstung beschaffen, während er sich um die Medieninhalte kümmern würde. Ich fertigte eine Reihe von Renderings an und fügte Erklärungen bei, wie das alles aufgebaut werden soll und in einen Anhänger hinter dem Bus passen würde.

Ich schickte das alles an das Management und die Imagine Dragons beauftragten uns. In den nächsten Monaten kommunizierten wir mit der Band und dem Manager, schickten Zeichnungen hin und her und vereinbarten ein paar Termine in einem Laden in Las Vegas, um zu proben und die Beleuchtung einzurichten.

Am zweiten Tag des Einladens kommt die Band herein. Sie schauen sich die toll beleuchtete Bühne und das fertige Bühnenbild an und lächeln. Dann stelle ich mich vor. Mir fällt sofort der besorgte Gesichtsausdruck des Gitarristen auf, der sich in etwa als „Das kann unmöglich der Typ sein, mit dem ich mich den ganzen Monat über unterhalten habe“ deuten lässt. Die letzte Person, die er erwartet hatte, war Opa Lichtdesigner Dude. Ich drehte mich sofort zur Seite, um Justin vorzustellen, meinen Lighting Director in den Zwanzigern, der sich bereit erklärt hatte, mit dieser Nummer um die Welt zu reisen.

Zum Glück ist Featherstone sehr wortgewandt und brachte uns alle schnell dazu, unsere Augen auf die Show und nicht auf das alternde Gesicht des fast 60-jährigen Designers zu richten. Egal wie gut die Show aussah – ich war die falsche Besetzung für diese Jungs. Es sei denn, ich hätte ihren Großvater spielen sollen.

Nook Schoenfeldt (2.v.r.) und die mindestens übernächste Generation.
Nook Schoenfeldt (2.v.r.) und die nächste Generation.

Letzter Auftritt für Roadie-Opa

In einer Karriere gibt es einen Zeitpunkt, an dem man sich mit mehreren befreundeten Designern vernetzt, sich gegenseitig über Auftritte berichtet und Regisseure hin und her tauscht. Vielleicht lasse ich Joel Reiff diese eine Band übernehmen, dann ruft er mich im nächsten Jahr an, um eine seiner Bands zu übernehmen. Mike Ledesma, Alex Skowron und ich riefen uns ständig gegenseitig an, um Lücken in einer Crew zu schließen. So haben wir uns gegenseitig immer wieder junge Leute empfohlen, die wir kennengelernt hatten. Verdammt, ich habe Tony Caporale zufällig im Internet gefunden, als er vor 20 Jahren praktisch noch ein Kind war, und ihm eine Chance gegeben.

Eines Tages ruft mich mein Freund Alex an.

– Hey, ich brauche einen Mann für ein paar Wochen.
– Wen und wo?
– Ich habe da diese Kids aus Australien, die hier unterwegs sind. Sie sind eine Comedy-Sketch-Show-Truppe
– Wie heißen die?
– Sie heißen „Janoskians“. Ich brauche jemanden, der einen Medienserver bedienen und mit Licht umgehen kann.
– Mann, es ist August. Alle, die ich kenne, sind nicht da, aber lass mich ein paar Anrufe machen.
– Ja, einer meiner anderen Künstler hat gerade seine Termine vorverlegt. Es geht hier nur um zwei Wochen Arbeit, aber ich muss übermorgen weg.

Wir telefonieren beide weiter, aber ich kann niemanden finden. Später am Tag rief ich ihn zurück und sagte ihm, dass ich diese acht Shows – die allesamt in kleinen Clubs vor einem größtenteils 16-jährigen Publikum gespielt werden sollen – selber übernehmen werde.

Am nächsten Tag treffe ich mich mit Alex in NYC. Die Gruppe hat an diesem Abend eine Show im Irving Plaza und am nächsten Tag eine Matinee, bei der ich hinter dem Pult stehen soll. Ich schaue mir die Show an und es ist an sich ziemlich einfach, nur dass es kein Skript gibt, dem man folgen kann. Es gibt aber eine große Cue-Liste, die Alex schon programmiert hat. Ich denke mir, dass ich zurechtkommen sollte, aber die Show am nächsten Tag ist hart und wird davon, dass ich alle Video-Cues zu unpassenden Zeiten auslöse, auch nicht besser.

Nach der Show setze ich mich mit der Band zusammen und lasse sie wissen, dass wir am nächsten Tag vor der Show alles noch einmal proben werden (was wir dann auch tun). Das Problem war, dass ich jetzt 1.000 Meilen nach Chicago fahren musste, mit fünf 19-jährigen Kindern und einem marginal älterem Manager. Der Tourbus sah permanent so aus, als hätten hier gerade eben eine dreitägige Hausparty stattgefunden.

Es dämmerte mir, dass ich mit 55 Jahren schon wieder an einer Raststätte stand. Ich hatte die Eagles, Madonna, die Beastie Boys und 20 Jahre lang Kid Rock beleuchtet. Ich war ganz vorne mit dabei. Aber jetzt war ich Roadie-Opa und wünschte mir, ich wäre irgendwo anders auf der Welt, nur nicht hier.

Eine Woche später beendete der alte Mann seine Tournee, als ich einen Anruf von Terry Lowe, dem Verleger des PLSN-Magazins, erhielt. Ich hatte jahrelang eine Kolumne für diese Zeitschrift geschrieben, und wie es scheint, suchten sie zu dieser Zeit einen neuen Redakteur. Wäre ich auf einer anderen Tour gewesen, hätte ich in diesem Moment vielleicht sein Angebot sausen lassen. Aber genau in der Sekunde, als er anrief, stand ich an einer Ecke vor dem Fillmore in San Francisco. Als ich mir die jugendliche Menschenmenge anschaute, die vor dem Eingang anstand, sagte ich ihm, dass ich mich nach Rücksprache mit meiner Frau wieder bei ihm melden würde. Aber genau in diesem Moment wusste ich, dass es für Roadie- Opa an der Zeit war, nicht mehr auf einem Regal in einem Tourbus zu schlafen.

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