Absage aufgrund… Höherer Gewalt?

Zunächst: Man muss unterscheiden einerseits die vertraglichen Leistungen und den Schadenersatz. Wird eine Veranstaltung abgesagt, stellen sich zwei Fragen:

  • Was passiert mit den Hauptleistungen aus dem Vertrag? Wenn bspw. der Veranstalter bereits Honorar an den Künstler bezahlt hat, bekommt er das wieder zurück? Das betrifft die vertraglichen Leistungen.
  • Daneben hat vielleicht ein Vertragspartner bereits ein Hotel und die Zugfahrt gebucht, er hat Urlaub genommen oder ihm entgeht ein Gewinn. Das betrifft den Schadenersatz. Ihn gibt es aber grundsätzlich nur, wenn der andere Vertragspartner fahrlässig oder vorsätzlich den Schaden verursacht hat.
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Nun zum Absagegrund:

Von Höherer Gewalt würde man derzeit wohl nur sprechen können, wenn eine Behörde die Durchführung der Veranstaltung verbietet.

Eine Stufe unter der Höheren Gewalt steht der Fall, dass der Veranstalter außerordentlich viel investieren müsste, um die Veranstaltung durchführen zu können (siehe § 275 Absatz 2 BGB): In diesem Fall des eklatanten Missverhältnisses zwischen den vertraglich geschuldeten Leistungen handelt es sich um eine sog. Unmöglichkeit: Die Erfüllung der Leistung „Veranstaltung“ ist nicht mehr möglich.

Der Vorteil dieser beiden Varianten für den Veranstalter: Er macht sich nicht schadenersatzpflichtig, weil es bei diesen Varianten grundsätzlich kein Verschulden gibt. Es werden „nur“ die vertraglich bereits erbrachten Leistungen rückabgewickelt: Der Messeveranstalter muss bspw. die bereits erhaltenen Ausstellergebühren wieder zurückerstatten.

Sagt der Veranstalter aber ab, weil er Sorge vor der öffentlichen Meinung oder einer Ansteckung hat, dann bleibt es grundsätzlich bei dem geschlossenen Vertrag. Das bedeutet:

Der Dienstleister behält seinen Anspruch bspw. auf Bezahlung. Der Veranstalter kann aber bei einem Werkvertrag (wenn also ein Ergebnis versprochen wurde) gemäß § 648 BGB jederzeit kündigen. Der Dienstleister kann dann sein vereinbartes Honorar abrechnen, muss aber seine ersparten Aufwendungen (z.B. dass er nicht mehr zur Veranstaltung fahren muss) abziehen. Sollte es sich um einen Dienstvertrag handeln (wenn also nicht ein Ergebnis, sondern die Tätigkeit als solche geschuldet ist), dann kann der Auftraggeber auch jederzeit kündigen; der Auftragnehmer kann jetzt nur das abrechnen, was er tatsächlich geleistet hat.

Das sind die gesetzlichen Rechtsfolgen, wenn nichts vertraglich vereinbart ist.

Vertragliche Bestimmungen

Allerdings sollte man unbedingt in den Vertrag schauen, ob sich dort eine Klausel zu dem Thema Absage findet. Dann aber: Nur, weil im Vertrag eine Klausel dazu steht und man den Vertrag unterschrieben bzw. den Vertrag so geschlossen hat, bedeutet das ja noch nicht, dass diese Klausel auch rechtlich wirksam ist.

Ein Beispiel:

Im Vertrag heißt es: „Der Veranstalter ist berechtigt, die Veranstaltung jederzeit abzusagen und zu verlegen.“ Eine solche Klausel wäre unwirksam, d.h. der Veranstalter dürfte eben nicht einfach so absagen und verlegen. Das gilt auch für Klauseln, die sich zu weit weg von dem gesetzlichen Leitbild entfernen: Denn grundsätzlich trägt jeder Unternehmer das Risiko, dass bspw. Höhere Gewalt eintritt. Im B2C-Bereich, also gegenüber dem Verbraucher-Besucher, lässt sich das nicht verändern. Das bedeutet, dass der Veranstalter hier nicht in seine AGB schreiben kann, dass er die Kosten für die Organisation der Veranstaltung von den an die Besucher zu erstattenden Beträgen abziehen darf. Nur bei B2B-Verträgen zwischen Unternehmen wäre eine Regelung wirksam, nach der sich der Leistende zumindest die Kosten bezahlen lässt, die bereits in Erwartung der Durchführung des Vertrages angefallen sind.

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Zuletzt muss man die unterschiedlichen Vertragsverhältnisse anschauen.

Ein Beispiel für einen Kongress: Der Veranstalter beauftragt eine Eventagentur als Generalunternehmer; die Eventagentur ihrerseits beauftragt als Nachunternehmer einen Vermieter, einen technischen Dienstleister, eine Hostessenagentur usw.

Alles Vorstehende muss nun für jedes dieser beiden Vertragsverhältnisse geprüft werden. Das bedeutet, dass im Verhältnis zwischen Veranstalter und Agentur Höhere Gewalt denkbar ist; für das Verhältnis zwischen Agentur und Nachunternehmer ist das aber nur bedingt der Fall – nämlich dann nicht, wenn der Nachunternehmer an sich leistungsbereit und leistungsfähig wäre (z.B. der Grafiker, der die Webseite erstellt; die Webseite funktioniert auch trotz Absage der Veranstaltung). In diesen Fällen aber muss auch wieder geprüft werden, was in den Verträgen steht (und ob diese Klauseln wirksam wären, siehe oben). Je nach Einzelfall kommt der sog. Wegfall der Geschäftsgrundlage in Betracht (siehe § 313 BGB). Das sind dann aber tatsächlich alles Einzelfallfragen, die man nicht pauschal beantworten kann.

Wichtig zum Abschluss:

Wenn eine Veranstaltung abgesagt wird, müssen alle Beteiligte den Schaden bzw. die Kosten minimieren: Denn alle Vertragspartner haben die sog. Schadenminderungspflicht. Der Auftragnehmer bspw. darf nicht trotz Absage einfach weiterarbeiten und damit weitere Kosten verursachen. Was sich eigentlich von selbst versteht, macht in der Praxis durchaus Probleme.

Gefährlich werden gemischte Sachverhalte: Die Absage ist noch nicht erfolgt, die Veranstaltung aber ist in der Schwebe. Gefährlich ist diese Situation deshalb, weil der Auftragnehmer jetzt – jedenfalls wenn er von dem Schwebezustand weiß – womöglich Kosten investieren bzw. auslösen muss, damit die Veranstaltung rechtzeitig stattfinden kann. Würde sie aber abgesagt werden, hätte er ja Kosten umsonst ausgelöst. Hier kommt es nun darauf an, wer wann was gewusst hat: Wusste der Auftragnehmer von der heiklen Situation? Wenn ja, sollte der Auftragnehmer den Auftraggeber explizit auffordern, die weiteren Kosten freizugeben.

Der Auftragnehmer sollte seinem Auftraggeber auch die Rechtsfolgen aufzeigen: Wenn wir jetzt nicht z.B. den Raum mieten, kann es sein, dass er später bereits anderweitig vergeben ist.

Links:

Es folgt das Video

https://www.youtube.com/watch?v=