Nook Schoenfelds Stories (7) – Fall Out Boy gehen aufs Ganze

Nook Schoenfeld ist Lichtdesigner und Geschichtenerzähler mit Erfahrung. Und nach eigener Angabe hat er das alles dem Rock’n’Roll zu verdanken – umso mehr, wenn die Künstler, die er betreut, risikofreudig sind und Lust auf eine fette Show haben.

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Während meiner beruflichen Laufbahn hatte ich zweimal mit Künstlern zu tun, die einen kometenhaften Aufstieg hinlegten. In beiden Fällen machte ein gutes Album eine Band, die zuvor nur in Clubs gespielt hatte, über Nacht zur Sensation. Eine dieser Bands nutzte den neu gewonnenen Ruhm, indem sie ihre Produktion in großem Maße ausbaute. Ich ziehe meinen Hut vor ihr. Die andere Band konzentriert sich noch immer auf kleinere Einnahmen, während sie das große Geld auf der Strecke liegen lässt.

Eines Tages im Jahr 2007 rief mich der aus Chicago stammende Produktionsdesigner (und Trauzeuge des Autors) Alex Skowron an. Er war vom Management der Band Fall Out Boy kontaktiert worden. Die Jungs hatte damals eine Reihe von Hitsingles, durch die sie innerhalb kürzester Zeit zu Teenie-Idolen wurden. Sie hatten zu dem Zeitpunkt bereits einen Lighting Director, aber das Management suchte seinerseits jemanden für die Erstellung und Programmierung einer knackigen Show. Alex hatte bereits ein paar Ideen, und er bat mich, ihm bei der Erstellung einiger künstlerischer Renderings und der Programmierung von Lichtstimmungen zu helfen.

Skowron startete mit den Basics. Ein paar Rampen und Riser für die vierköpfige Band, auf denen sie umherlaufen konnten. Ein einfaches Bühnenbild mit Standard-Bauteilen, die unsere Freunde von Gallagher Staging leicht zusammenbauen und die von Tischlern je nach Größe des Veranstaltungsortes problemlos abgeändert werden konnten. Eine Beleuchtungsanlage, die an einer Stelle gekippt werden konnte, um die Initialen der Band zu buchstabieren. Ein Bühnenhintergrund mit Scheinwerfern. Die typische Grundausstattung für eine Drei-Truck-Tour.

„Gebt mir Optionen, ich will viele Optionen!“

Doch als die Band immer bekannter wurde, wollten sie mehr für ihren Live-Auftritt: größere Sets, aufwändigere Beleuchtung, Pyro, Video, mehr Gimmicks. Pete, Bassist und der eigentliche Bandleader von Fall Out Boy, sagte es so: „Was gibt es Cooles da draußen in der Szene, das wir in unsere Show einbauen können? Gebt mir Optionen, ich will viele Optionen!“

Viele Bands wären froh um einen solchen blitzartigen finanziellen Aufschwung und würden ihr erstes Gehalt für sich behalten, es womöglich in ein eigenes Haus oder ähnliches investieren. Fall Out Boy aber hatten Selbstvertrauen: Sie investierten in ihre Zukunft, indem sie ihre Produktion ausbauten. Sie scheuten sich nicht davor, mit dem Albumzyklus aufs Ganze zu gehen, und die Ideen sprudelten nur so hervor – sowohl bei uns als auch bei der Band.

Skowron rief mich an und bat mich, bei ihm zu Hause vorbeizuschauen, um die nächste große Etappe der Tour zu planen. Die Band wollte ein paar Ideen für eine größere Produktion. Vor 20 Jahren gab es nicht viele LDs, die ihren Künstlern komplette Renderings zur Verfügung stellten, die zeigten, wie ihr Set, die Beleuchtung und die Videoelemente tatsächlich aussehen würden. Wir aber boten genau das unseren Kunden an, also war es an der Zeit, eine Wish List zu erstellen.

Das geschätzte Budget für das Bühnenbild lag bei etwa 200.000 $ für den Anfang und 30.000 $ pro Woche für die Beleuchtung. Großartige Zahlen für das Jahr 2007.

„Wir brauchen größere Rampen. Im Grunde genommen müssen wir das alte Set auf Steroide umbauen“, erklärt mein Partner in Crime. „Ich denke, die Band ist offen für Ideen, wir müssen ihnen nur zeigen, was wir alles machen können. Sie bekommen jetzt einen neuen Show Director.“

Wir waren es nicht gewohnt, bei jungen Acts mit Show Directors zusammenzuarbeiten, so wie wir es sonst nur bei älteren Legenden taten. Andrew Logan wurde beauftragt, die Bewegungsabläufe der Band zu choreografieren und eine harmonische Setlist zu erstellen. Zunächst kam mir die Tatsache, dass wir einen Show Director hatten, seltsam vor – schließlich ging es hier um ein paar junge Kerle, die eine Vorliebe dafür hatten, sich auf der Bühne wild im Kreis zu drehen und Pogo-Sprünge zu machen.

„Ich glaube, wir müssen ihnen nur eine größere Spielwiese geben, dann kann Andrew das Puzzle zusammensetzen“, meinte Alex.

Ein Toaster für drei Typen mit Gitarren

Alex und ich richteten unsere Macs in seinem Büro ein. Er überreichte mir einige Skizzen auf einer Serviette, die zeigten, wie das Set seiner Meinung nach aussehen könnte. Während er sich damit beschäftigte, die Beleuchtungsidee in CAD zu entwerfen, begann ich mit dem Bau des Sets. Das Schlagzeug sollte von einem 4 Fuß hohen Riser auf einen 8 Fuß hohen Riser umgestellt werden. Der lange Laufsteg, der sich zuvor hinter dem Schlagzeug-Riser befand, wurde erweitert und um zehn Fuß angehoben. Es war nun ein 32 Fuß breiter Sims, der eine Reihe von Risern mit einem Schlagzeug in der Mitte verankerte. Es war ein sexy und unauffälliges Design mit verschiedensten Möglichkeiten.

Aber wir brauchten Gimmicks, jede Menge Gimmicks, die die Band verwenden konnte. Wir dachten, wir würden einfach nur Ideen in den Raum werfen, und die Band und der Show Director könnten sich aussuchen, was sie wollten. Während ich zeichnete, machten wir uns also Gedanken:

„Sollen wir Förderbänder für den Fake Walking Gag einbauen?“ erkundige ich mich.
„Klar, gib ihnen was, das sie schneiden können.“ antwortet er.
„Was hältst du von Toastern?“ fragt Alex.
„Ich liebe sie. Eignen sich gut, um einen bleibenden ersten Eindruck zu hinterlassen.“
„Gibt es einen, der groß genug ist, dass drei Typen und ihre Gitarren hineinpassen?“

Für alle, die gerade nicht mitkommen: Ein Toaster ist ein szenisches Element, das dazu da ist, einen Darsteller 5-10 Fuß in die Luft zu werfen. In der Regel werden Toaster unter der Bühne montiert, und der Star gibt sein Debüt auf der Bühne, indem er aus einer in die Bühne integrierten Falltür hoch in die Luft geschossen wird. Das funktioniert im Grunde wie ein Toaster, der eine fertige Scheibe Brot herausschleudert. Stellt Euch einmal vor, Michael Jackson schießt drei Meter hoch in die Luft.

Ich rufe Joe Gallagher von seiner Bühnenbaufirma an. Joe ist unser Ansprechpartner für mehr Sets, als ich zählen kann, und hat immer eine Antwort parat.

„Hey Kumpel, hast du einen Toaster, der drei Leute auf einmal in die Luft werfen kann?“
„Nein. Ich habe bisher nur Ein-Mann-Toaster gesehen.“
„Kannst du einen bauen, in den drei Leute und ihre Gitarren passen?“
„Da ist die Katastrophe vorprogrammiert, Jungs. Ich sehe schon förmlich vor mir, wie ein Musiker das Gleichgewicht verliert und seine Gitarre dem anderen ein Auge aussticht.“
„Du hast also drei Toaster?“
„Ich baue euch alles.“

Gute Nachrichten. Wir können sie kriegen, Logan soll die Band von dieser Eröffnungsidee überzeugen.

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Wie machen wir Kacke zu Kunst?

„Mein Freund, der unsere Plattencover macht. Ich habe ihn gebeten, uns ein paar UV-Scrims zu malen, die nur bei Schwarzlicht sichtbar sind.“ sagt Pete, der Bassist.
„Okay, wir sollten ihn um ein paar Bilder bitten, die wir uns ansehen können“, antworten wir.
Pete mailt uns die Bilder zu. „Ich habe ihn gebeten, uns diese beiden hier für jede Seite der Video-Wand zu zeichnen.“
„Die sind großartig, die passen gut zu den Medieninhalten, die du uns gegeben hast. Aber ich muss sie maskieren können. Dann müssen wir einen bestimmten Part der Show festlegen, an dem wir sie einbauen.“
„Dafür haben wir doch einen Show Director, oder?“, antwortet Pete.

Wir haben die Größe dieser Seitenwände auf 20 x 30 Fuß angepasst, um die mittlere Videowand in einem Winkel zu ergänzen. Ohne die Beleuchtung durch die 20 Wildfire-Cyc-Einheiten, die wir aufgehängt hatten, sahen die beiden Drops wie Hundekot aus. Wie machen wir Kacke zu Kunst?

Wir beschlossen, diese Paneele so gut wie möglich als normale Cycloramas zu verwenden und sie mit Coemar Super Cyc Scheinwerfern zu beleuchten. Wir hängten die Drops an der oberen Schiene einer Traverse auf und hängten dann ein Cargo-Netz an die andere Schiene vor der Traverse. Wir konnten das Netz mit einer Farbe und Gobos texturieren und dann die Kacke mit einer anderen Farbe beleuchten.
Wie bei allen UV-Szenen, mit denen ich leider arbeiten musste, war das Endergebnis nicht sonderlich beeindruckend. Aber der Chef fand es toll.

Uns fiel auf, dass die drei Bandmitglieder ständig auf der gesamten Bühne herumliefen und dass ein langer Laufsteg etwa 40 Fuß weit ins Publikum hineinreichte. Alex fragte sich, was wir mit dem Schlagzeuger anstellen könnten, um seine Welt etwas aufregender zu gestalten.

Es wurde darüber nachgedacht, das Schlagzeug von seiner Stange herunterzulassen und es auf die Bühne zu fahren, wie aus einer Garage. Aber das gab es bereits. Der Gedanke an ein separates Cocktail-Schlagzeug, das irgendwo auftauchen könnte, kam mir in den Sinn.

Ein Schlagzeug wie eine Nähmaschine

Ich dachte zurück an meine Jugend und die Singer-Nähmaschine meiner Mutter. Diese Nähmaschinen bestanden aus einem einfachen Tisch, auf dem die Maschine kopfüber unter einer Schwingtür verborgen war, wenn sie nicht in Gebrauch war. Wenn man etwas nähen wollte, drehte man sie einfach um 180°, so dass die Maschine aufrecht auf dem Tisch stand und einsatzbereit war. Warum nicht dieses Konzept mit einem Schlagzeug imitieren? Gallagher sagt, er könne das schaffen.

Der Drummer war von der Idee sehr angetan. Er fragte sogar, ob er angeschnallt werden könne, um Schlagzeug zu spielen, während das Gerät umgedreht wurde und er auftauchte. Das war zwar ein cooler Gedanke, aber wir waren uns nicht sicher, wie wir ihn kopfüber anschnallen sollten, und dann auch noch im Dunkeln. Vor allem aber hatten wir Angst vor dem Guillotine-Effekt, falls wir die Drehung starten und der Schlagzeuger vergisst, sich zu ducken. Der Platz war knapp. Eine einfache Enthüllung und dann Weiterlaufen – das würde klappen.

Während dieser Zeit hatten sich Fall Out Boy mit einer anderen lokalen Band aus Chicago angefreundet, die in ihrem Schatten stand: Panic at the Disco! Sie klangen sogar ähnlich. Eines Tages beim Catering sagte der Bassist beiläufig zu Alex: „Wir müssen herausfinden, was diese Jungs für ihr Set und ihr Licht ausgeben. Wir wollen nicht mit einer kleineren Produktion als unsere Freunde auftreten.“

Das war leicht getan. Alex rief John Bahnick von Upstaging an, der ihm mitteilte, dass beide Beleuchtungsbudgets ungefähr gleich hoch seien. Alex sagte ihm, dass wir unseren Look um etwa 5.000 Euro aufstocken müssten, und fügte dementsprechend eine weitere Traverse mit Lichtern hinzu.

„Genial. Arbeitet es irgendwo in die Show ein.“

Wir waren immer noch dabei, uns Ideen für das Bühnenbild zu überlegen, als Alex wieder einen Anruf von Pete, dem Bassisten, erhielt. Er sei gerade in einem protzigen Nachtclub in New York und wollte auf die Toilette. Als er die durchsichtige Glastür seiner Kabine schloss, habe er nicht schlecht gestaunt, denn sie beschlug augenblicklich. Sein Körper wurde zu einer von hinten beleuchteten Silhouette auf der Kabinentür.

„Wir müssen das in das Set einbauen. Machen Sie uns einen Preis.“

Wir hatten den perfekten Platz im Set, um diese Türen zu platzieren. Für uns war es nicht so einfach, diese zu beschaffen, aber Joe Gallagher – nun ja, das ist sein Job. Ich erinnere mich an den Rückruf:

„Leute, das wird euch nicht gefallen – diese Türen kosten etwa 20.000 pro Stück. Dann brauchen wir eine Möglichkeit, sie zu transportieren. Wir können das machen, aber rechnet mal mit zwei Türen, die die Band wahrscheinlich 50.000 kosten.“

Alles, was wir tun konnten, war, der Band die Zahl zu nennen und sie die Sache abblasen zu lassen. Die Reaktion war genau das Gegenteil. „Genial. Arbeitet es irgendwo in die Show ein.“

Wir kamen auf die Idee, das Tunnelsystem von „The Great Escape“ zu kopieren.

Die Arbeit mit dem Show Director war ein Riesenspaß. Was auch immer wir Andrew vorschlugen, er integrierte es in die Show. Um die mattierten Türen zu nutzen, ließ er uns nach dem Ende einer rockigen Nummer die Bühne verdunkeln, sodass der Schlagzeuger seine Position verlassen und im Dunkeln von der Bühne gehen konnte. Die beiden Gitarristen aus dem Off gingen in die Umkleideräume hinter dem Schlagzeugpodest und fingen an, sich bis auf die Unterwäsche auszuziehen, während sie das Einzige waren, was auf der Bühne beleuchtet wurde. Als sie bemerkten, dass das Publikum ihre Striptease-Nummer beobachtete, warfen sie sich einen erschrockenen Blick zu. Sie drücken einen Schalter, der das Glas beschlägt. Als Silhouette ziehen sie ihre Unterwäsche aus, während wir auf Schwarz abblenden.

Während sich das Glas verdunkelt, erhellt ein einzelnes Licht den oberen Teil des Laufstegs, wo der Schlagzeuger mit verschränkten Armen unter einem weißen, heißen Scheinwerfer steht. Der Schlagzeuger besteigt das Cocktail-Kit und zieht sein Ding durch. Die Kids lieben es.

Das letzte Problem, das es zu lösen galt, war die Frage, wie man die anderen drei Bandmitglieder unter dem Schlagzeuger hindurch zur Falltür und zur Treppe am Ende des Laufstegs für die bevorstehende Akustiknummer bringen konnte. Sie würden durch eine Falltür nach oben gehen müssen.

Bei einer sechs Fuß hohen Bühne und einem fünf Fuß hohen Vorstoß mussten sich die Jungs bücken und fast durch einen 4-Fuß-Raum laufen, ohne sich über den Haufen zu rennen, um das Ende in den drei Minuten zu erreichen, die dem Schlagzeuger zustanden. Wir kamen auf die Idee, das Tunnelsystem von „The Great Escape“ zu kopieren.

Die Idee war, ein paar Schienen unter der Bühne anzubringen und eine Plattform auf Rädern zu befestigen, auf der die Jungs liegen konnten, damit wir sie von der Hauptbühne zur B-Stage ziehen konnten. Ich glaube, das war der einzige Gag, den sie wieder fallen lassen mussten. Jeder andere Gimmick auf der Wish List bekam einen Daumen nach oben.

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