SIL3 – check den Sicherheitsintegritätslevel

Geht es in der Veranstaltungstechnik um das szenische Bewegen von Lasten oder Personen, fällt oft der Begriff „SIL3“. Doch was steckt hinter dem Begriff „SIL3“? Hierzu gibt es leider viel Halbwissen. Grund genug also für Autor Jan Pawlak, sich mit diesem Thema zu beschäftigen.

Grundsätzlich bezeichnet „SIL3“ nämlich nicht, wie leider fälschlicherweise oft angenommen, eine Norm oder Vorschrift, sondern eine zu erfüllende Eigenschaft – dazu später mehr.

Wenn Lasten über Personen bewegt werden sollen, werden hierfür maschinentechnische Einrichtungen wie z.B. Seilwinden oder Kettenzüge genutzt. Diese Einrichtungen müssen den Anforderungen der DGUV V17 (ehemals BGV C1) genügen, damit sie zum Bewegen von Lasten über Personen eingesetzt werden dürfen. Im täglichen Sprachgebrauch wird hierfür oft der Begriff „C1-Anlage“ benutzt. Doch was hat das nun mit „SIL3“ zu tun?

SIL = Sichheitsintegritätslevel nach EN 61508

Maschinentechnische Einrichtungen zum Bewegen von Lasten über Personen werden, gerade im mobilen Einsatz, zunehmend durch moderne rechnergestützte Steuerungen gesteuert. Die Steuerungen übernehmen hierbei fast immer sicherheitsrelevante Funktionen, wie z.B. die Auswertung von Endschaltern oder die Ansteuerung der Bremsen. Sobald Steuerungen sicherheitsrelevante Funktionen übernehmen, müssen diese Steuerungen nach bestimmten Normen und Vorschriften konzipiert und entwickelt werden.

Maßgebende Norm für die Sicherheitsanforderungen an moderne softwarebasierte  Steuerungen ist die EN 61508. Die EN 61508 ist allerdings keine spezielle Norm für den Bereich Bühnentechnik, sondern gilt auch für softwarebasierte Steuerungssysteme in anderen Bereichen, wie z.B. der Prozessleittechnik und Industrieautomation.

Möchte man für eine bestimmte Anwendung die passende Steuerung auswählen, muss man im ersten Schritt die konkreten Sicherheitsanforderungen an diese Steuerung ermitteln. Dafür benutzt man den SIL-Risikographen der EN 61508 (Abb. 1).

Abbildung 1: SIL-Risikograph (EN 61508)
Abbildung 1: SIL-Risikograph (EN 61508) # Anklicken zum Vergrößern # © Jan Pawlak

Die Einstufung in das sogenannte Sicherheitsintegritätslevel (SIL) erfolgt dabei auf Basis der folgenden Risikoparameter: Schadensausmaß, Aufenthaltswahrscheinlichkeit im Gefahrenbereich, Möglichkeit zur Gefahrenabwehr und Eintrittswahrscheinlichkeit. Das Sicherheitsintegritätslevel unterteilt sich in SIL1 bis SIL4. Konkret beschreibt der Begriff SIL also die sicherheitstechnischen Anforderungen an eine sicherheitsrelevante Funktion einer Steuerung.

SIL1 bis SIL4 für jede sicherheitsrelevante Funktion der Steuerung

Die Einstufung in SIL1 bis SIL4 erfolgt allerdings nicht pauschal für die komplette Steuerung, sondern wird einzeln für die unterschiedlichen sicherheitsrelevanten Funktionen der Steuerung durchgeführt. Es wird somit für jede sicherheitsrelevante Funktion, wie z.B. „Ansteuerung der Bremsen“ oder „Schutz gegen Überlast“, auf Basis der konkreten Anwendung ein eigenes SIL ermittelt.

Aus den ermittelten SIL ergeben sich dann die jeweiligen konkreten sicherheitstechnischen Anforderungen an die einzelnen Elemente der Steuerung, wie z.B. der Einsatz von besonders fehlersicheren Komponenten oder eine redundante Datenverarbeitung mit permanentem Wertevergleich.

In der Praxis werden grundlegende Steuerungselemente in der Regel nach dem für die einzelnen sicherheitsrelevanten Funktionen höchsten SIL ausgelegt. Wenn also in der praktischen Anwendung von einer „SIL3-Anlage“ die Rede ist, meint dies, dass die zentralen Steuerungsbaugruppen insgesamt die Anforderungsstufe SIL 3 erfüllen – auch wenn dies streng genommen nicht für alle sicherheitsrelevanten Funktionen der Anwendung erforderlich wäre.

Aufgrund der zugegeben recht komplexen Zusammenhänge kann dieser Artikel nur einen ersten Einblick in die Thematik geben. Für fachlich Interessierte bietet sich daher der Besuch einer Schulung an. Diese werden sowohl von Herstellern als auch herstellerunabhängig, z.B. bei www.buehnentechnikschulung.de angeboten.

Über den Autor:
Jan Pawlak ist als Ingenieur Mechatronik im Bereich Entwicklung & Konstruktion von Bühnentechnik/Kinetik sowie als Dozent in den Bereichen Statik, Bühnentechnik und Rigging für verschiedene Bildungsträger in der Veranstaltungstechnik tätig.  Darüber hinaus engagiert er sich als Prüfer für „Meister für Veranstaltungstechnik“ bei der IHK Darmstadt.