Funkfrequenzen – Droht die nächste „Digitale Dividende“?

Nach der World Radio Conference 2023 stellten wir in der mothergrid-Redaktion fest, dass wir mehr Fragen zum Thema Funkfrequenzen hatten als zuvor… Zeit für eine Analyse!

Wir haben das Ohr an die Branche gehalten und uns Statements von Hersteller, Distributoren und die Sichtweise von „Save Our Spectrum“ angehört, die ihre Ansichten über die Zukunft des nutzbaren Spektrums für die Veranstaltungsbranche im DACH-Raum schildern. Daran wollen wir euch nun teilhaben lassen, in der Hoffnung, etwas Licht ins Dunkel bei diesem verzwickten Thema zu bringen.

SOS save our spectrum
SOS save our spectrum engagiert sich politisch für die Belange der VA-Branche in der Frage des Frequenzspektrums.

SOS – save our spectrum

Jochen Zenthöfer reagiert beispielsweise im letzten Newsletter von „Save Our Spectrum“ eher ablehnend auf die Idee, die Thematik nicht mehr in den Ländern, sondern auf europäischer Ebene behandeln zu wollen:

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenige Wochen vor der Europawahl hat die Europäische Kommission ein neues White Paper unter dem Titel „How to master Europe’s digital infrastructure needs?” veröffentlicht. Darin ist unter anderem geplant, die bisher vor allem national stattfindenden Frequenzpolitiken vollständig unter die Kuratel der EU zu stellen.

In vielen Bereichen sind einheitliche europäische Regeln zu begrüßen. Niemand sollte die wertvollen Errungenschaften des Binnenmarktes aufgeben wollen. Gleichzeitig vermag das Weißbuch der EU-Kommission nicht zu überzeugen. Es erscheint nicht abwägend und fair. Es ist getränkt von den Bedürfnissen der Mobilfunkindustrie.

So geht das nicht! SOS wird sich für die Interessen von Kultur, Medien und Veranstaltungswirtschaft einsetzen!

Den kompletten Beitrag könnt ihr hier nachlesen: medialabcom.de

Firmen engagieren sich auch politisch

Auch die Firma Shure rüstet sich nicht nur mit technischen Lösungen aus, sondern baut auch seine Expertise in der Politik aus. Guillaume Mascot (Paris) und Martin Brock (London) werden als Senior Manager für Global Regulatory Policy das internationale Team unter der Leitung von Prakash Moorut, Global Head of Spectrum & Regulatory Affairs, in diesem zentralen Bereich der Audiokommunikation unterstützen. Seit langer Zeit ist schon Wolfgang Bilz, Senior Director Spectrum & Regulatory für die Interesen der Firma bzw. der Branche unterwegs.

„Das Funkspektrum ist eine Ressource, die immer knapper wird. Zugleich steigt der Bedarf an drahtlosen Audiogeräten in Folge zunehmender High-Quality-Produktionen“, so Moorut. „Um den Zugang zu dieser begrenzten Ressource auch in zehn Jahren sicherzustellen, sind gemeinsame Anstrengungen notwendig, damit Behörden die langfristigen Auswirkungen ihrer Entscheidungen besser abschätzen können. Neben den Frequenzen können sich auch künftige Vorschriften zu Cybersicherheit und künstlicher Intelligenz auf unsere Produkte auswirken. Solche Überlegungen müssen frühzeitig angestellt werden.“

Natürlich engagiert sich nicht nur Shure auf politischer Ebene. So gut wie jeder Hersteller von Funktechnologie für die Veranstaltungsbranche investiert Zeit, Geld und (Wo-)Menpower, um die Zukunft des nutzbaren Spektrums mitzugestalten.

Um sich in diesem Artikel nicht ausschließlich mit der Politik zu beschäftigen, haben wir einen Fragenkatalog an die wichtigsten Hersteller von Funktechnik geschickt und sie um möglichst konkrete Aussagen zu ihrer Sichtweise auf die Dinge sowie Setup-Vorschläge für ein fiktives Projekt gebeten. Im Folgenden die Antworten von Shure, Sennheiser und dem Lectrosonics-Distributor Melodus Gmbh

Das Interview

mothergrid: Zunächst zum Status Quo: Von wo bis wo darf ich momentan im DACH-Raum Funkfrequenzen nutzen?

Steffen Kuhlebrock (Shure): Es gibt einige Frequenzbereiche in der DACH Region, die wir mit unseren verschiedenen Systemen für die unterschiedlichsten Anwendungen nutzen können. Unser Kernband für drahtlose Mikrofone ist das Band 470 – 694 MHz. Einen detaillierten Überblick über die Bänder und Auflagen fassen wir für die Nutzer in unserem online erhältlichem Frequenzguide unter shure.de/frequenzen zusammen. Einfach aufgelistet sind dies:

Shure
Shure bietet eine breite Palette an Funk-Lösungen die, Stand der Dinge, zukunftssicher betrieben werden können. Foto: © Shure
  • 174-230 MHz
  • 470-608 MHz
  • 614-694 MHz
  • 736-753 MHz
  • 788-790 MHz
  • 823-832 MHz
  • 863-865 MHz
  • 1492-1525 MHz
  • 1785-1808 MHz
  • 1880-1900 MHz DECT
  • 2,4 und 5 GHz Wifi

mothergrid: Bis wann sind diese Frequenzbänder zum jetzigen Zeitpunkt als gesichert nutzbar zu bezeichnen?

Steffen Kuhlebrock: Der Zugang zu dem wichtigsten Band, unser Kernband 470 – 694 MHz, ist stabil bis 2031. Es können jedoch weitere Sekundärdienste Zugang zu diesem Frequenzband erhalten. Wir erwarten aber keine großen Änderungen.

mothergrid: In dem Beitrag zur WRC heißt es: „Mobilfunkzuweisungen auf die drahtlosen Mikrofone hängen von den nationalen Entscheidungen im Nachgang zur WRC-23 ab.“ Seid ihr als Hersteller nah genug an der Politik, um zukünftige Entscheidungen bezüglich des nutzbaren Spektrums im DACH-Raum einschätzen zu können?

Steffen Kuhlebrock: Shure Europa ist an vielen Arbeitsgruppen im Zusammenhang mit der europäischen CEPT und der internationalen ITU-R (WRC) und auch regionalen und nationalen Arbeitsgruppen beteiligt. Dazu gehört unter anderem die Repräsentation des APWPT durch Wolfgang Bilz und auch die Sektormitgliedschaft der ITU-R und die Mitgliedschaft der deutschen Delegation bei der WRC.

Dr. Andreas Wilzeck (Sennheiser): Die Sennheiser-Gruppe ist ein Global Player und daher international sehr gut mit den zuständigen Behörden, in der Politik und weiteren Stakeholdern vernetzt. Insbesondere in Europa unterstützen wir Organisationen wie SOS, APWPT, BEIRG und die Allianz für Rundfunk- und Kulturfrequenzen. In der DACH-Region, als Heimatmarkt von Sennheiser, sind wir hier besonders aktiv. Sennheiser ist u.a. Mitglied der ETSI und Sektormitglied der ITU-R.

Sennheiser hat eine eigene Abteilung für Frequenzpolitik und Standardisierung, die in der internationalen Regulierung und Standardisierung von drahtlosen Technologien aktiv ist und auch unser zugehöriges Lobbying koordiniert.

Sennheiser
Sennheiser arbeitet an der WMAS-Technologie zur Integration von Mikrofonen und IEMs in einem RF Kanal. Foto: © Sennheiser

Olli Tschotow (Melodus GmbH): Unserer Einschätzung nach, sind wir als Distributor nicht, bzw. gar nicht nah genug an der Politik dran, um eine adäquate Einschätzung bezüglich des nutzbaren Spektrums im DACH-Raum absehen zu können. Aus Sicht der Entwickler würden wir sicherlich behaupten, dass diese gerne mehr politischen Einfluss hätten, beziehungsweise ihre Ideen und Anwendungen, auf mehr Gehör stoßen würden. Unsere Branche ist einfach zu klein, um mit der Mobilfunk-Lobby mithalten zu können. Realistisch betrachtet, ist es im Augenblick leider so, dass wir abbekommen, was vom Spectrum übrig bleibt.

mothergrid: Wie sieht diese Zusammenarbeit mit der Politik aus?

Steffen Kuhlebrock: Natürlich ist die politische Diskussion wichtig und muss stetig weitergetrieben werden. Unser Hauptaugenmerk liegt aber auf der technischen Regulierung, da hier auf Grundlage von technischen Parametern die Entscheidungen getroffen werden. Generell sind wir in engem Austausch mit vielen nationalen Administrationen, um unseren steigenden Bedarf in die Diskussion einzubringen.

Dr. Andreas Wilzeck: Wir sind aufgrund unserer internationalen Gremienarbeit in Regulierung und Standardisierung, unserer weltweiten Kunden sowie des international lokal agierenden Vertriebs- und Anwenderunterstützung sehr gut vernetzt. Dieses Netzwerk ist über Jahrzehnte gewachsen. Sennheiser interagiert im direkten Gespräch, über Kommentierungen von Konsultationen und in der Gremienarbeit. Dies findet häufig auch gemeinsam mit Verbänden (APWPT, ZVEI) und Initiativen (SOS, BEIRG) statt. Das Ergebnis der WRC-23 ist auch Resultat der guten und aktiven Zusammenarbeit mit den Verbänden Rundfunkern (EBU, BNE, Wider Spectrum Group).

Lectrosonics
Lectrosonics realisiert das Beispiel-Setup auf lediglich 4 HE. Foto: © Lectrosonics

mothergrid: Erwartet ihr als Hersteller/Distributor eine weitere Beschneidung des nutzbaren Spektrums bis zur nächsten WRC 2031?

Steffen Kuhlebrock: Regional könnten weitere Sekundärdienste neben drahtlosen Mikrofonen Zugang im Bereich 470 – 694 MHz erhalten, aber wir erwarten keine starken Veränderungen. Eine wichtige Aussage der WRC 2023 ist das Bekenntnis zum besonderen Schutz der Frequenzen für den Einsatz von PMSE. Generell sieht man den steigenden Bedarf an Spektrum von neuen Diensten und Anwendungen wie z.B. behördlicher Sicherheitsfunk. All diesen Anforderungen gerecht zu werden, ist eine große Aufgabe, wo es sicherlich auch in Zukunft zu Kompromissen kommen wird.

Dr. Andreas Wilzeck: Grundsätzlich erlaubt das Ergebnis der WRC-23 die Einführung weiterer Mobilfunkdienste im TV UHF Band innerhalb Europas (mit Ausnahme von Spanien und Italien), in einigen Staaten Afrikas und in einigen Staaten des mittleren Ostens, jeweils unter Schutz des Rundfunkdienstes. Die Nutzung dieser Option ist jedoch eine nationale Entscheidung. Wie sehen allenfalls militärische Anwendungen als mögliche Nutznießer, wenn diese technisch oder organisatorisch den Rundfunk schützen können. Keine einfache Aufgabe, da Rundempfänger eben nur Empfänger sind und sich nicht durch Aussendungen zu erkennen geben. Drahtlose Mikrofone und In-Ear Systeme nutzen das TV-UHF parallel zum Rundfunk seit Jahrzehnten, ohne das es zu Störungen untereinander gekommen ist

Olli Tschotow: Eine Abschätzung zur weiteren Beschneidung des nutzbaren Frequenzspektrums bis zur nächsten WRC 2031 können wir nicht geben. Grundsätzlich wird der Markt im Bereich Funk allerdings eher größer und nicht kleiner, die Antwort lautet also JA.

mothergrid: Wie sorgt ihr als Hersteller dafür das eure Systeme möglichst zukunftssicher sind? Gehe gerne auch auf die von euch genutzte Technologie und die Schaltbreite eurer Systeme ein.

Steffen Kuhlebrock: Ein besonders agiles System zeichnet sich durch eine hohe Spektrumseffizienz und eine große Schaltbandbreite aus. Dabei ist es wichtig, bei Performance und Qualität möglichst wenig Kompromisse einzugehen, also z.B. HF-Stabilität, Reichweite und Latenz und Sound. Mit Axient Digital können wir bis zu 63 Kanäle in 8 MHz unterbringen, bei einer Schaltbandbreite von 166 MHz. Für aktuelle Rahmenbedingungen und den derzeitigen Ausblick kann man dieses System in Zukunft noch lange und sicher und effizient betreiben. Außerdem tragen wir Sorge dafür, Technologien zu nutzen, die unsere Produkte weltweit einsetzbar machen.

Dr. Andreas Wilzeck: Sennheiser entwickelt seine Produkte stetig und strategisch weiter. Beispiele sind die Einführung von EW-D und EW-DX (beide 200 kHz digital) sowie die Entwicklung von Wireless Multi-Channel Audio Systems (WMAS) zur Integration von Mikrofonen und IEMs in einem RF Kanal.

Olli Tschotow: Im Falle Lectrosonics ist es im Vergleich der aktuellen Mitbewerber so, dass ein möglichst breites Spektrum abgedeckt wird. Im Falle des digitalen In Ear Systems (Duet) 470Mhz – 614Mhz. Aktuell ist man in diesem Bereich weltweit relativ problemlos unterwegs.

mothergrid: Ein kleines Gedankenspiel: Eine 10-köpfigen A Capella Band möchte 10 Funkmikros und 10 drahtlose InEar-Strecken nutzen. Welches System aus eurem Haus würdest Du in Hinblick auf die Zukunftssicherheit empfehlen?

Steffen Kuhlebrock: Aus unserem aktuellen Produktportfolio empfehlen wir dafür das Axient Digital Drahtlossystem und PSM1000 In-Ear Monitoring System. Beide Systeme sind extrem robust, bieten eine große Schaltbandbreite bei sehr hoher Spektrumseffizienz. Weiterhin bieten Sie eine große Planungssicherheit, da man sie weltweit einsetzen kann. Zusammen mit dem AD600 Spektrummanager ist eine Einrichtung ohne Software und eine Echtzeitüberwachung mit automatischem Frequenzwechsel möglich.

Dr. Andreas Wilzeck: Aktuell würde ich für diesen Anwendungsfall 10 x EW-DX oder EW-D sowie 10 x G4 IEM empfehlen.

Olli Tschotow: Bei der Ausstattung einer 10-köpfigen A capella Band wie beschrieben, würden wir bei der InEar Wahl auf das Lectrosonics M2 Duet verweisen. Der halb 19“ Transmitter M2T in Kombination mit den M2Ra Taschenempfängern arbeiten auf digitaler Ebene und bieten neben des kleinen Footprints eine nahtlose Anbindung an ein bestehendes Dantesystem. Bei den Funkmikrofonen würden wir das digital Wireless System D2 empfehlen.

Ein D2 Receiver bietet auf ½ 19“ Platz für 4 Funkmikrofone, die ebenfalls über Dante an ein System angebunden werden können. Dieses System würde ohne Combiner/Antennesplitter auf 4HE Platz finden. Im Vergleich zu anderen Herstellern wäre man hier auf 8HE, beim mindestens dreifachen Gewicht unterwegs.

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