Markus Zehner konzipiert Sennheiser AMBEO-Studio für immersive 3D-Akustik

Ende November 2019 wurde in Zürich das AMBEO-Studio von Sennheiser in Betrieb genommen. Der Raum dient in Zukunft als Produktionsstätte für immersive 3D-Audio-Inhalte, die Entwicklung von Produkten, für psychoakustische Forschung und Kundendemonstrationen.

Sennheiser braucht man kaum näher vorzustellen. Das Unternehmen mit Sitz im Deutschen Wedemark gilt seit Jahrzehnten als Garant für hochwertige Audioprodukte, sowohl im professionellen Audio-Bereich als auch im Consumer-Segment.

Unter dem Titel „AMBEO Immersive Audio“ werden innovative Produkte und Lösungen für die Produktion und Wiedergabe von 3D-Audio entwickelt, etwa das „AMBEO VR Mic“ für räumliche 360-Grad-Aufnahmen oder die „AMBEO Soundbar“ für die 3D-Wiedergabe im heimischen Wohnzimmer.

Zur (Weiter-)Entwicklung von Produkten aber auch für psychoakustische Forschungen und für Demonstrationen bestand das Bedürfnis am Hauptsitz des AMBEO-Teams in Zürich einen Abhörraum zu designen, der – verständlicherweise – höchsten qualitativen Ansprüchen genügen und eine verlässliche Kontrolle verschiedener 3D-Audio-Formate ermöglichen muss. Markus Zehner wurde mit der Konzeptentwicklung und Planung der Raum- und Bauakustik beauftragt.

Lautsprecherkonzept und Raumgeometrie

Auf der Basis der vorgegebenen Fläche musste zunächst ein Konzept für die Raumgeometrie und die Positionierung der Lautsprecher und der Hörposition definiert werden. Massgebend waren dabei die Vorgaben von AMBEO-Tonmeister Johannes Kares, der unter anderem den Anspruch hatte, dass alle gängigen 3D-Audioformate wie Ambisonics, Dolby Atmos, Auro 3D oder DTS:X verlässlich wiedergegeben werden können. Neben den einschlägigen Empfehlungen, wie z.B. den Dolby-Richtlinien, mussten auch die strengen Vorgaben der ITU (International Telecommunication Union) und der EBU (European Broadcast Union) an die Raumakustik derartiger Räume erfüllt werden.

Aufgrund der Zielsetzungen entwickelten Johannes Kares und Markus Zehner zunächst die Geometrie der Konstruktion und legten die Positionen für die 11 Lautsprecher auf 2 Höhen-Ebenen und die zwei Subwoofern fest.

Raumakustisches Konzept

3D-Audio-Umgebungen stellen generell besondere Anforderung an die Raumakustik: naturgemäss kommen viele Lautsprecher zum Einsatz. „Konventionelle“ Konzepte für Regie- und Abhörräume wie beispielsweise das Live-End-Dead-End-Konzept (LEDE) oder Non-Environment-Entwürfe (NER) und ihre vielfältigen Abwandlungen und Derivate scheiden aufgrund deren zugrundeliegender Direktionalität von vornerein aus. Gefragt sind stattdessen neuartige Ansätze und innovative Konzeptideen, welche die akustische Wiedergabe-Konsistenz aller Lautsprecher gewährleisten.

Johannes Kares hatte sich bereits in seinem Tree House Studio in Wien intensiv mit 3D-Audio und der dazugehörenden Akustik befasst. Schnell war er sich mit Akustik-Planer Markus Zehner einig, dass das Konzept primär auf diffus streuende Oberflächen setzen sollte. Verschiedene Möglichkeiten der Realisation wurden hierfür eingehend studiert und besprochen.

Markus Zehner entwickelte aufgrund dieser Anforderungen eine Wand-Oberfläche, deren Basis ein fast raumhoher fraktaler N7-Diffusor bildet. Ein Einzelelement besteht dabei aus 7×7 Segmenten auf einer Gesamtbreite von rund 400 mm (ein einzelnes Segment der 7×7-Struktur ist nur rund 8 mm breit). Diese Basiselemente wurden dann zu einer grösseren Wandfläche kombiniert, deren Position, Ausrichtung und Anordnung speziell auf die Raumsituation hin optimiert wurde. Hierfür kamen unter anderem numerische Diskreditierungsverfahren (BEM) zum Einsatz, um die optimale Sequenz zu bestimmen. BEM-Simulationen liefern eine sehr realistische Voraussage über das akustische Verhalten, sind allerdings sehr rechenintensiv. Nur schon die Simulation kleinerer Teilflächen erforderte für jede geprüfte Variante mehrere Stunden Rechenzeit und schliesslich mussten die Teilflächen noch zu einer funktionierenden Gesamtoberfläche zusammengesetzt werden. Zugute kam Markus Zehner dabei, dass er bereits in der Vergangenheit ähnliche Strukturen für Tonstudios entworfen hatte, auf diese Erfahrungen zurückgreifen konnte und dadurch die zu vergleichenden und simulierenden Varianten auf eine sinnvolle Vorauswahl eingrenzen konnte.

Sennheiser AMBEO Studio

Auch bezüglich der Behandlung der Bass- und Tiefbass-Absorption wurden mehrere Konzepte evaluiert und simuliert. Unter anderem wurde auch die Möglichkeit aktiver Absorber in Betracht gezogen, nicht zuletzt, um nicht zu viel Platz zu verlieren. Am Ende wurde allerdings entschieden, ein Konzept zu entwickeln, das vollständig auf passiven Absorbern und Resonatoren beruht. Um die hohen gesteckten Ziele eines Schallfeldes, welches vollständig frei von Resonanzen ist, zu erreichen, ohne unnötig viel Raum in Anspruch zu nehmen, wurden auch die Bereiche hinter den in der Tiefe gestaffelten Diffusor-Elementen genutzt.

Ein grundsätzliches Problem hochwertiger Hörräume stellen aus akustischer Sicht, reflektierende Oberflächen dar, besonders wenn sie sich in der Nähe der Lautsprecher oder der Hörposition befinden. Bei Surround- oder 3D-Hörräumen stellt sich diese Problematik aufgrund der unterschiedlichen Lautsprecherpositionen als noch gravierender dar, als bei 2-Kanal-Stereo-Wiedergabe. Es war aber bereits früh klar, dass ein Arbeitstisch einer gegebenen Grösse zwingender Bestandteil der Möblierung sein musste. Nach einer ausführlichen Reflexions-Analyse wurde schnell klar, dass man aus betrieblichen und akustischen Gründen das Problem nicht über die Geometrie (z.B. durch Umlenkung „schädlicher“ Reflexionen) lösen konnte, weshalb sich Markus Zehner dafür entschied, die Arbeitstischplatte akustisch mit einem binären Amplitudengitter aufzubrechen.

Bauliche Umsetzung

Für die bauliche Umsetzung zeichnete die Gehri AG in Aarberg verantwortlich. Die auf die Planung, Konzeption und Fertigung qualitativ hochstehender und ästhetisch anspruchsvoller Raumgestaltungen spezialisierte Firma betrat damit insofern Neuland, als dass bisher noch kein Tonstudio mit einer solche hohen Anforderung an die Raumakustik gebaut wurde.

Besonders die Diffusoroberfläche stellte dabei eine Herausforderung dar: Die kleinsten einzelnen Segmente mit einer Breite von 8 mm mussten exakt gefertigt werden und auch das vorgegebene Tiefenprofil mussten sehr genau eingehalten werden, um das definierte akustische Verhalten zu gewährleisten. Gleichzeitig musste auch sichergestellt werden, dass sich die Elemente möglichst effizient und innerhalb des Kostenrahmens herstellen liessen. Und nicht zuletzt galt es, die hohen ästhetischen Anforderungen des Kunden zu erfüllen.

In Zusammenarbeit mit Markus Zehner wurden von David Bernet (Creative Director, Gehri AG) und Andreas Zesiger (Projektleiter, Gehri AG) verschiedene Ausführungsvarianten und Produktionsmöglichkeiten geprüft, darunter etwa Materialien wie Metall, Holz oder Herstellungsverfahren mittels 3D-Druck. Schliesslich fiel die Wahl aus akustischen, produktionstechnischen und ästhetischen Überlegungen auf eine Holzkonstruktion.

Marc Gehri, Geschäftsleiter Gehri AG: „Für die Diffusoren wurde eine Lösung mit einzelnen Profil-Leisten in Eiche massiv gewählt, für welche eigens ein Profilmesser für die Bearbeitung hergestellt wurde. Diese Konstruktion erlaubt eine grosse Flexibilität für die optimale Dimensionierung der Diffusoren in verschiedenen Raumsituationen, so wie auch in der Materialisierung (z.B. mit anderen Holzarten oder Lackierungen). Nebst den akustischen Funktionen dieser Bauteile sind sie prägende Gestaltungselemente im AMBEO Studio, weshalb für uns die einwandfreie Verarbeitungsqualität höchste Priorität hatte.“

Schallschutz

Neben der Raumakustik stellte auch der Schallschutz einige Anforderungen an das Konzept. Das Studio sollte mitten in den Grossraumbüros des AMBEO-Teams installiert werden. Dieses befindet sich in einer sehr ruhigen Umgebung und es bestand die Vorgabe, dass auch bei sehr lauten Abhörpegeln mit viel Tiefbass keine Störung an den Büroarbeitsplätzen entstehen durfte. Ausserdem befinden sich im selben Gebäude Wohnungen, die ebenfalls nicht durch die Emissionen des Studios beeinträchtigt werden dürfen. Da sich die Büros und das Studio in einem denkmalgeschützen Gebäude befinden, mussten auch die diesbezüglichen Auflagen mitberücksichtigt werden.

Eine weitere Herausforderung bestand darin, dass die Büros bereits einige Monate vor dem Bau des Studios bezogen wurden. Die eigentliche Konstruktion der Studiobox vor Ort musste deshalb innerhalb weniger Tage erfolgen, um den Bürobetrieb nicht länger zu beeinträchtigen.

In enger Zusammenarbeit mit den Spezialisten der Gehri AG wurde von Markus Zehner ein hoch-schalldämmender Aufbau entwickelt, der in Aarberg in Form von Einzelmoduln vorfabriziert werden konnte. Der eigentliche Bau in den AMBEO-Räumlichkeiten in Zürich konnte dadurch innerhalb der Rekordzeit von zwei Arbeitstagen ausgeführt werden. Hierzu wurden die gefertigten Einzelelemente auf eine vom restlichen Gebäude mechanisch entkoppelte Bodenplatte aufgesetzt um die Übertragung von Körperschall zu unterbinden.

Da ein schalldichter Raum unweigerlich auch luftdicht abschliessen muss, waren im Vorfeld auch Fragen der Klimatechnik zu lösen. Nach der Evaluation mehrerer Möglichkeiten konnte am Ende auch in diesem Punkt eine professionelle Lösung entwickelt werden, welche allen Bedürfnissen gerecht wird.

Einmessung und Nutzererfahrung

Ende November fanden die raum- und bauakustischen Schlussmessungen durch Markus Zehner statt. Dabei wurden in Zusammenarbeit mit System-Spezialist Andrew Goldberg auch die 11 Neumann-Lautsprecher KH-120 und die beiden in die Frontkonsole integrierten Neumann Subwoofer sachgerecht und entsprechend den einschlägigen Normen eingemessen.

Inzwischen liegen auch die ersten Nutzererfahrungen vor; Johannes Kares, Tonmeister Sennheiser AMBEO: „Im neu gestalteten Sennheiser Büro in Zürich repräsentiert das AMBEO Studio den Kern unserer Entwicklungs- und Forschungsarbeit im Bereich Immersive Audio. Planugsziel war es, eine Akustik zu schaffen, die allerhöchsten Standards genügt. Mit dem Studio wollen wir sowohl immersive Musikaufnahmen mischen und demonstrieren, als auch unsre immersive Audio-Algorithmen entwickeln und verifizieren. Dieses Planungsziel wurde im vollen Umfang erreicht, was sich nicht nur in den eindrücklichen Messergebnissen zeigt, sondern auch im subjektiven Höreindruck.“

Dank der reibungslosen und professionellen Zusammenarbeit aller beteiligten Spezialisten, darf man mit Fug und Recht behaupten, dass das AMBEO-Studio wohl weltweit mit zu den besten akustischen Umgebungen für 3D-Audio zählt. Man darf gespannt sein, was das Sennheiser AMBEO-Team in Zukunft für interessante Produkte, Systemlösungen und Audio-Inhalte entwickeln wird.

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